Eine neue Idee auf dem Weg in den Pfarrdienst: Die Famulatur
Wer bereits ehrenamtlich länger in der Kirche aktiv ist und berufsbegleitend Theologie studieren möchte, für die*den kommt eine Art des dualen Studiums in Frage: Es wird berufsbegleitend der Weiterbildungsstudiengang Theologie studiert und dabei ist man hauptamtlich in einer Kirchengemeinde angestellt.
Dieses Modell der EKBO nennt sich Famulatur. Dafür muss ein Kirchenkreis gefunden werden, der eine geeignete Stelle hat, auf der die Famula bzw. der Famulus arbeiten kann. Außerdem braucht es Pfarrpersonen, die im Studium und bei der Arbeit beratend zur Seite stehen.
Die Famulatur ist ein neues Modell. Gemeinsam mit dem Kirchenkreis Potsdam-Mittelmark gestaltet die Evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz dieses Ausbildungs-Pilotprojekt. Die Idee dabei ist es, Theologie berufsbegleitend zu studieren und zugleich gemäß der eigenen Gaben beruflich in einer Kirchengemeinde tätig zu sein.
Die „Famulatur Theologie“ ist in zwei Abschnitte gegliedert: Die ersten drei Jahre werden die theologischen Studieninhalte berufsbegleitend an der Universität in einem der Weiterbildungsstudiengänge studiert. In der studienfreien Zeit erfolgt die Arbeit in der Kirchengemeinde. Im zweiten Abschnitt werden, wie im Vikariat üblich, schrittweise pastorale Dienste in der Gemeinde übernommen. Der gesamte Zeitraum bis zum Pfarrdienst umfasst etwa sechs Jahre. Falls Sie Interesse an diesem Modell haben, kontaktieren Sie uns!
Hier stellen wir Ihnen den ersten Famulus vor: Oliver Notzke. In diesem Interview spricht er über seine Erfahrungen der ersten Monate.
Interview: Aus der internationalen Geschäftswelt ins ländliche Pfarramt
Stifel: Als Famulus sind Sie ein nicht ganz gewöhnlicher Theologiestudent. Beschreiben Sie bitte zunächst Ihre vorherige berufliche Tätigkeit.
Notzke: Ich war knapp 16 Jahre bei einem Dienstleister für die Immobilienwirtschaft tätig. Für die mir eingeräumten Möglichkeiten bin und bleibe ich dankbar. Ich durfte mich um das Gebietsmanagement im Berliner Raum, danach um die bundesweiten und internationalen Geschäftspartner kümmern.
In den letzten 4 Jahren traten neben die fachliche Führung auch die Personalverantwortung und der Aufstieg in die Führungsebene hinzu.
Stifel: Welche besonderen Qualifikationen bringen Sie durch Ihre Berufserfahrung für das Pfarramt mit? Worauf kann sich Ihre Gemeinde freuen?
Notzke: In der Vergangenheit hatte ich immer das Glück, dass mich Mentoren fachlich und menschlich geprägt haben. Daher habe ich im Geschäftsleben gelernt, mich schnell und systematisch zu organisieren, Schwerpunkte zu erkennen und Mittel richtig einzusetzen, um Ziele zu erreichen. Ein Mentor forderte immer, wenn ich mit einer Herausforderung zu ihm käme, müsse ich mindestens zwei Lösungsvorschläge mitbringen. Das fördert die Eigeninitiative und Lösungsfindung. Also suche ich auch im Gemeindeleben stets nach Alternativen und neuen Lösungswegen. Es ist faszinierend, wie schnell sich Menschen auf ihr Gegenüber einlassen, wenn man ihnen mit Respekt, einem offenen Ohr und etwas Zeit begegnet. Mir ist Verbindlichkeit persönlich sehr wichtig und ein Gradmesser, ob ich mich auf mein Gegenüber verlassen kann.
Stifel: Das erste Semester in Heidelberg liegt hinter Ihnen. Wie haben Sie Ihre Studienzeit dort erlebt?
Notzke: Zunächst war es eine Umstellung. Nicht das Reisen, sondern das stundenlange „Stillsitzen“. Wer mich kennt, der weiß, dass ich gern in Bewegung bin. Da wir die Studienzeiten so kompakt wie möglich organisieren wollten, gab es Vorlesungstage, die waren von 9 Uhr morgens bis 21 Uhr abends vollgepackt. Dann war ich echt froh, wenn der Tag vorüber war und ich am kommenden Morgen erst mal durch Heidelberg joggen konnte. Die Professor*innen und Kommilitonen*innen sind von dem Modell sehr angetan und ich bin schnell in den Austausch gekommen.
Stifel: Mussten die Studieninhalte sehr schnell abgehakt werden oder war es möglich, individuelle Schwerpunkte zu setzen?
Notzke: Ja, es blieb Zeit, um Schwerpunkte zu setzen. Diese habe ich im Vorfeld mit meinem Mentor besprochen und dann bearbeitet. Ferner war es interessant zu beobachten, dass es eine starke Hilfsbereitschaft unter den Studierenden gab. Irgendwie bildeten sich ganz schnell „Lerngruppen“ heraus, in denen jeder Aufgaben übernommen hat und sich untereinander geholfen wurde.
Stifel: Welche Aufgaben hatten Sie in den ersten Monaten als Famulus in Ihrer Gemeinde? Was hat Spaß gemacht?
Notzke: Da haben wir einen bunten Blumenstrauß an Aufgaben. Die Gemeinde ist offen für neue Wege. Wir haben in den ersten Monaten viele Taufanmeldungen gehabt. Die Taufgespräche habe ich mitgeführt und die Gottesdienste vorbereitet und mit durchgeführt. Lektorengottesdienste haben wir gefeiert, in den Gesprächskreisen war ich Gast gewesen und Jubiläen und Konfirmationen mit meinen Mentoren gemeinsam gestaltet. Es macht Spaß an und mit den Menschen zu arbeiten und die Hoffnung, die uns durch Jesus Christus gegeben ist, zu transportieren und Menschen zu erreichen.
Stifel: Studium in Heidelberg, Arbeit in der Gemeinde und Ihre Familie – es ist sicher eine Herausforderung, allem gerecht zu werden.
Notzke: Da sind wir wieder beim Thema Organisation. Ganz ehrlich, wenn meine Frau nicht solch eine Geduld und ein Verständnis hätte, dann wäre es auch nicht realisierbar. Nicht im vorherigen Berufsleben und auch jetzt nicht. In der Regel war ich 3 Tage in Heidelberg und den Rest der Zeit in der Gemeinde und am Wochenende im Gottesdienst.
Stifel: Was gelang gut und was war schwierig? Und was ist bzw. wäre wichtig, damit sich das Modell Famulatur gut leben lässt?
Notzke: Gut war die lange Reisezeit. Die 6 Stunden Bahnfahrt nach Heidelberg waren meine Lern- und Studienzeit. Da ist man nicht abgelenkt von Telefonaten und kann sich ganz dem Studium hingeben. Was ist schwierig? Die häufigen Fehlzeiten in der Gemeinde sind gerade bei Terminabsprachen manchmal etwas kompliziert. Und es gilt darauf zu achten, die Geduld der Familie nicht zu überstrapazieren.
Stifel: Vielen Dank für das Interview!
